BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz): Anforderungen und Umsetzung für Webseiten
Barrierefreiheit, Webdesign

BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz): Anforderungen für Webseiten

05.06.2023, aktualisiert 30.07.2025

Das BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) hat die Anforderungen für Gestaltung und Technik von bestimmten Webseiten und Online-Shops neu definiert. Mit Inkrafttreten des BFSG Mitte 2025 müssen bestimmte digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein. Aber was genau bedeutet barrierefrei? Welche Folgen hat das BFSG für Webseiten? Und für wen gilt das Gesetz überhaupt?

Das BFSG soll allen Menschen den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen bzw. Produkten ermöglichen – denn besonders im Online-Bereich sind für beeinträchtigte Menschen viele Barrieren, die sie von einer solchen Teilhabe ausschließen.

👉🏼 In diesem Blogbeitrag werden wir die Auswirkungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes für Webseiten genauer unter die Lupe nehmen. Dazu sehen wir uns auch die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des W3C an, die als Maßstab gelten.

Inhaltsübersicht

Was bedeutet barrierefrei Barrierefreiheit bei Webseiten

Barrierefreiheit für Websites bedeutet, dass Webseiten wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein müssen:

  • Wahrnehmbarkeit
    Inhalte und Benutzeroberflächen müssen so gestaltet sein, dass alle Benutzer sie wahrnehmen können.
    Ausreichende Farb-Kontraste, anpassbare Textgrößen bei gleichem Inhalt und Funktion, Alternativtexte für Grafiken, Beschreibung für Videos sind Beispiele.
  • Bedienbarkeit
    Die Bestandteile der Benutzerschnittstelle und der Navigation müssen für alle bedienbar sein.
    Tastaturbedienbarkeit des Inhalts, eindeutige Linktexte, überspringbare Abschnitte, beschreibende, logische Überschriften, große Klickbereiche sind Beispiele hierfür.
  • Verständlichkeit
    Der Inhalt der Webseite muss für alle klar und verständlich sein.
    Formulare auch mit Tastatur bedienbar, klare Kennzeichnung von Feldern, Eingabefehlern, Korrekturmöglichkeiten, maschinell erkennbare Sprache, konsistente Bedienung, Navigation sind Beispiele.
  • Robustheit
    Die Webseite sollte technisch robust sein und auf verschiedenen Geräten und verschiedenen Hilfsmitteln zugänglich sein.
    Semantisch korrektes HTML, visuell logische Reihenfolge der Überschriften, klare Auszeichnung mit ARIA Landmarks sind Beispiele hierfür.

Ziel der Barrierefreiheit ist eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen und zu gewährleisten. Die Richtlinie will mit der Angleichung der Rechtsvorschriften über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen in der EU den Binnenmarkt stärken. Das Angebot im Binnenmarkt soll ausgebaut werden. Der grenzüberschreitende Zugang zu barrierefreien Produkten soll vereinfacht werden. Wettbewerb soll günstigere Preise ermöglichen. Besser zugängliche Produkte und Dienstleistungen ermöglichen eine inklusivere Gesellschaft. Auch Menschen mit funktionalen Einschränkungen wie ältere Menschen, Reisende mit Gepäck etc. sollen von der Richtlinie profitieren.

Dr. Stefan Breuer, Rechtsanwalt

Barrierefreies Webdesign Zielpersonen, Gründe, Vorteile

Barrierefreies Webdesign ist für eine relevante Vielzahl an Menschen relevant. Konkret für alle, die aufgrund individueller körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen Schwierigkeiten haben, eine Webseite wie andere Nutzer zu bedienen. Allein Sehschwächen sind weit verbreitet.

Natürlich gehen nicht alle Beeinträchtigungen mit Schwierigkeiten bei der Nutzung von Webseiten einher, trotzdem sind zahlreiche Menschen auf unterschiedlichste Art davon betroffen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen:

  • dauerhaften Beeinträchtigungen (wie etwa Lähmungen, Blindheit, Taubheit oder Demenz)
  • temporären Beeinträchtigungen (beispielsweise Verletzungen, Augenverletzungen, Hörsturz oder Migräne)
  • situationsbedingten Beeinträchtigungen (z. B. Sonnenlicht auf dem Display oder Baustellenlärm)

Im Hinblick auf Webseiten sind besonders motorische bzw. sensorische, visuelle, auditorische und kognitive Beeinträchtigungen zu beachten.

Google honoriert barrierearme bzw. barrierefreie Webseiten
Suchmaschinen erwarten keinen barrierefreien oder fehlerfreien Code. Barrierefreie Webseiten erfordern unter anderem eine klar strukturierte Webseite mit eindeutiger Navigation, sprechenden Linktexten, Alternativtexten für Bilder usw.
Suchmaschinen wie Google verstehen dadurch Struktur und Inhalte einer Webseite besser, der verbesserte Code sorgt zudem meist für schnellere Ladezeiten. Das begünstigt einige der relevanten Kriterien für die Ermittlung der Reihenfolge der Ergebnisse in Suchmaschinen wie Google. Win-Win-Situation. 💪🏼

Rechtliche Grundlagen ab Mitte 2025 BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz)

Das BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) gilt für bestimmte digitale Produkte und Dienstleistungen, die ab dem 28. Juni 2025 in den Verkehr ge- bzw. erbracht werden. Unter die für das BFSG relevanten Produkte und Dienstleistungen fallen auch bestimmte Webseiten, E-Commerce (Online-Shops) und mobile Anwendungen (Apps).

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Das BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen.
Die konkrete Ausgestaltung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/882 obliegt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Ist die eigene Webseite erfasst?

Der erste Schritt ist die Prüfung, ob die eigene Webseite, der eigene Online-Shop vom BFSG erfasst wird. Falls ja, muss man sich rechtzeitig um die Einhaltung kümmern, die technisch mitunter aufwändig ist.

Online-Prüfung BFSG Check

Der BFSG Check ist ein Test, welcher die wesentlichen Kriterien des Anwendungsbereiches in vereinfachter Form überprüft. Erklärungsbedürftige und unbestimmte Rechtsbegriffe werden für eine bessere Verständlichkeit vereinfacht und reduziert.
Rechtlich verbindlich kann das Ergebnis des Selbsttests daher nicht sein.

  1. § 1 Abs. 3 BFSG regelt den Dienstleistungsbereich.
  2. Nach § 1 Abs. 3 BFSG greift das BFSG im Dienstleistungsbereich (inkl. Online-Shops, siehe folgende Fußnote) nur gegenüber Verbrauchern im Sinne von § 13 BGB. Dazu muss klar und eindeutig ersichtlich sein, dass Verbraucher (B2C, D2C) ausgeschlossen sind, sich das Angebot nur an Unternehmen im Sinne von § 14 BGB richtet.
  3. § 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG spricht von Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Das ist in § 2 Nr. 26 BFSG definiert und erfasst auf jeden Fall alle Webseiten, Online-Shops, Apps, über die direkt online ein Vertrag (Kauf, Buchung, etc.) zustande kommen kann.
  4. § 2 Nr. 26 BFSG erweitert Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG auch auf elektronische Dienstleistungen, die auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags (elektronisch) erbracht werden, wie Terminreservierungen. Die Abgrenzung kann durch den weiten Wortlaut im Einzelfall schwierig werden. Jede geschäftliche B2C-Webseite mit digitalen Buchungsfunktionen für eine individuelle, konkrete Anfrage dürfte diese Kriterien erfüllen. Rein informative Webseiten mit nur allgemeinen Kontaktdaten dürften dagegen nicht ausreichen.
  5. § 3 Abs. 3 S. 1 BFSG in Verbindung mit § 2 Nr. 17 BFSG schließt im sogenannten Dienstleistungsbereich inkl. „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ wie Onlineshops (nicht für die Produkte selbst) Kleinstunternehmen aus. Das sind die Kriterien für die Einstufung als Kleinstunternehmen. Die Berechnung der Mitarbeiterzahl richtet sich vereinfacht nach sogenannten Jahresarbeitseinheiten.
  6. Es gibt noch einige Ausnahmen wie für Webseiten, die als unveränderbare Archive gelten oder Bereiche bei Karten-Diensten nach § 1 Abs. 4 BFSG. Auch könnte teilweise eine unverhältnismäßige Belastung nach § 17 BFSG mit Anlage 4 BFSG ausnahmsweise in Betracht kommen. Dazu gelten für wenige, spezifische Dienstleistungen und Produkte auch längere Fristen, vgl. § 38 BFSG.
  7. § 1 Abs. 2 BFSG listet spezifische Produktarten auf, die unter das BFSG fallen. Das sind vereinfacht Produkte mit einem interaktiven Display.
  8. § 1 Abs. 3 Nr. 4 BFSG betrifft E-Books und hierfür bestimmte Software.
  9. § 1 Abs. 3 Nr. 3 BFSG umfasst Bankdienstleistungen für Verbraucher. Der Verbraucherhinweis ist übrigens teleologisch überflüssig.
  10. § 1 Abs. 3 Nr. 1 BFSG.
  11. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BFSG umfasst Webanwendungen, elektronische Tickets, Reiseinformationen und Selbstbedienungsterminals von Personenbeförderungsdiensten. Lokale städtische, kommunale Anbieter sind teilweise ausgenommen.
  12. § 1 Abs. 2 Nr. 5 BFSG.
  13. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BFSG spricht von Hardwaresysteme(n) für Universalrechner für Verbraucher einschließlich der für diese Hardwaresysteme bestimmte Betriebssysteme.
  14. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BFSG spezifiziert Selbstbedienungsterminals weiter, wie für Zahlungsterminals, Geldautomaten, Fahrausweisautomaten.
  15. § 1 Abs. 2 Nr. 3, 4 BFSG spricht von Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang für Telekommunikationsdienste oder für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten.

Version 1.3, Stand: 22.01.2025

Geltungsbereich Für welche Webseiten gilt das BFSG?

Das BFSG regelt die Barrierefreiheitsanforderungen auch für Webseiten. Der Geltungsbereich umfasst:

  • Banken und Bankdienstleistungen
  • Personenbeförderungsdienste im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr (ausgenommen Regionalverkehr)
  • Telekommunikationsdienste
  • E-Commerce bzw. Online-Shops für Verbraucher (B2C) – auch wenn die angebotenen Produkte nicht in den Anwendungsbereich des BFSG fallen
  • Webseiten mit „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ für Verbraucher

Das Kriterium „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ meint primär, dass eine vertragliche Leistung rein online abgeschlossen werden kann – wie bei einem Online-Kauf, Online-Abo etc.
Das Gesetz definiert in § 2 Nr. 26 BFSG diesen Bereich jedoch weiter (Angebote, die „auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags“ elektronisch erbracht werden). Dem unbestimmten Wortlaut nach geht das sehr weit. Nur reine Informationswebseiten mit allgemeinen Kontaktinformationen dürften nicht erfasst sein.

Die amtliche Gesetzesbegründung spricht von Bestell- oder Buchungsfunktion. Diese enge Auslegung widerspricht fast dem Wortlaut. Letztlich wird die Abgrenzung im Einzelfall meist irgendwo dazwischen stattfinden.

Elemente, die eine rein digitale, individuelle Anfrage für konkrete Leistungen initiieren, dürften ausreichen, auch wenn der eigentlich angestrebte Vertragsabschluss erst später erfolgt.
Beispiel: Tisch-Reservierung online oder Behandlungstermin online reserviert.

Ausnahmen Für wen gilt das BFSG nicht?

Es gibt mehr oder weniger klar definierte Ausnahmen und solche, die sich indirekt aus der Auslegung und den Stellungnahmen zum BFSG ergeben.

Nicht gilt das BFSG etwa für:

  • Kleinstunternehmen bei Dienstleistungen (!) mit weniger als 10 Mitarbeitern und (!) einem maximalen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme von 2 Millionen Euro. Die Mitarbeiterzahl wird ermittelt aus der Zahl der Jahresarbeitseinheiten (JAE). Das heißt der Anzahl der während eines Jahres beschäftigten Vollzeitarbeitnehmer. Teilzeitbeschäftigte, Zeitarbeitskräfte und Saisonarbeiter werden nur entsprechend ihres Anteils an den JAE berücksichtigt. Auszubildende und Mitarbeiter im Mutterschafts- oder Elternurlaub sind nicht zu berücksichtigen.
  • Webseiten ohne „elektronischem Geschäftsverkehr“. Webseiten ohne (Dienstleistungen im) elektronischen Geschäftsverkehr sind etwa reine Informations- oder Leistungsseiten, zur Präsentation, auf denen Produkte oder entsprechende Dienstleistungen nicht gegen Entgelt erworben bzw. gebucht werden können.
  • Reine B2B-Angebote für Dienstleistungen (!) dürften dem BFSG nicht unterfallen. Das Gesetz spricht eingangs noch von „Verbraucher und Nutzer“ und ist daher dem Wortlaut nach nicht eindeutig. Hält man das Schutzbedürfnis im geschäftlichen Verkehr für weniger wichtig, kann man das als „Verbraucher“ auslegen. Für reine Dienstleistungen präzisiert § 1 Abs. 3 BFSG dies. Diese umfassen nur solche, „die für Verbraucher nach dem 28. Juni 2025 erbracht werden“. Die „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ sind ein Unterpunkt hierzu.
  • Webseiten-Inhalte von Dritten, die vom Inhaber weder finanziert noch entwickelt werden noch dessen Kontrolle unterliegen.
  • Webseiten, die als Archive gelten und nach dem Stichtag weder aktualisiert noch überarbeitet werden.
  • Zeitbasierte Medien auf Webseiten, so etwa aufgezeichnete Audio- oder Videoaufnahmen.
  • Wenn die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zu einer solchen Veränderung der Produkte oder Dienstleistungen führt, dass die Produkte oder Dienstleistungen in ihrem Wesenskern verändert würden, gilt das BFSG nicht. Hier ist allerdings eine Selbstbeurteilung durch den Wirtschaftsakteur nötig - die Dokumentation der Selbstbeurteilung muss mindestens fünf Jahre lang aufbewahrt werden und die zuständige Marktüberwachungsbehörde muss unterrichtet werden.
  • Wenn eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt nach § 17 BFSG in Verbindung mit Anlage 4 BFSG. Das muss gut dokumentiert, begründet werden und regelmäßig überprüft werden. Im Kern geht es um Kosten-Nutzen-Vergleiche, die im Gesetz recht genau geregelt sind.

Achtung: Von den obigen Ausnahmen ausdrücklich nicht erfasst sind Drittwerbung (Banner, Popups etc.) und Drittanwendungen (Cookie-Consent-Tools, interaktive Funktionen, integrierte Buchungsstrecke), weil deren Kontrolle beim Webseitenbetreiber liegt. Auch diese Teile müssen daher barrierefrei sein. Ergibt theoretisch Sinn, dürfte praktisch viele Probleme bringen, die nicht selbst lösbar sind.

Beispiele Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr

Kleinstunternehmen mit Online-Terminbuchung

Ein Frisörsalon mit 9 Mitarbeitern und einem Umsatz von unter 2 Millionen, der Terminbuchungen auf der Webseite anbietet, ist ausgenommen. Auch, wenn diese Terminbuchungen vollständig elektronisch erfolgen. Im BFSG ist eine Ausnahme für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten, geregelt.

Kleinstunternehmen, die Produkte anbieten

Bietet dieser Frisörsalon nun neben der Terminbuchung auch den Verkauf von Shampoos auf der Webseite (Online-Shop) an, bleibt die Ausnahme für Kleinstunternehmen, die dies unter elektronische Dienstleistungen fällt.

Werden die Produkte auch offline verkauft, greift die Ausnahme für Kleinstunternehmen nicht, da diese Regelung nur für Dienstleistungen gilt. Aber die Produkte Shampoos fallen nicht unter die Liste der im BFSG aufgeführten Produktkategorien (vereinfacht interaktive Geräte).

Unternehmen mit Online-Terminbuchung

Ein Frisörsalon mit 11 Mitarbeitern, der einen Umsatz von mehr als 2 Millionen Euro im Jahr erwirtschaftet und vollständig elektronische Online-Terminbuchungen auf seiner Webseite anbietet, fällt unter das BFSG. Denn automatische Terminbuchungen fallen unter die Definition "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr". Da der Frisörsalon nun auch kein Kleinstunternehmen ist, greift die Ausnahmeregelung nicht und die Webseite muss ab dem 28.06.2025 barrierefrei gestaltet sein.

Unternehmen mit manueller Terminbuchung/ reiner Terminanfrage

Greift die Kleinstunternehmerausnahme nicht, könnte „elektronisch erbracht“ relevant werden.
Beispiel: Ein Frisörsalon mit 11 Mitarbeitern oder mehr als 2 Millionen Jahresumsatz bietet keine automatische Terminbuchung an, sondern nur eine Terminanfrage mit Übermittlung eines Terminwunsches. Diese Anfrage erfüllt die Kriterien des elektronischen Geschäftsverkehrs so weit, dass dies im Hinblick auf den Abschluss eines späteren Verbrauchervertrages digital angeboten wird. Aber wird dieses Angebot auch „elektronisch erbracht“?
„Elektronisch erbracht“ meint, dass es rein digital ohne die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien erfolgt. Es muss also elektronisch gesendet und empfangen werden. Das reicht. Sofern die Anfrage auch individuell und konkret ist wie für einen speziellen Termin, dürfte auch das reichen.
Wieweit dies im Einzelfall ausgelegt wird, ist unklar. Der Wortlaut im Gesetz ist unbestimmt, die Erwägungsgründe ergeben keine Klarstellung.

Übergangsfristen Ab wann gilt das BFSG?

Formal tritt das BFSG mit 28. Juni 2025 in Deutschland in Kraft. Für relevante Dienstleistungen unter dem Einsatz von Produkten gibt es jedoch eine Übergangsfrist von 5 Jahren. Das heißt, Dienstleistungen mit Produkten, die in den Anwendungsbereich des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes fallen, müssen erst ab 27. Juni 2030 die Kriterien erfüllen. Nicht-barrierefreie Selbstbedienungsterminals wie Geldautomaten dürfen bis zum Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer verwendet werden, maximal jedoch bis 2040.

Online-Shops und Webseiten fallen nicht unter Dienstleistungen unter dem Einsatz von Produkten. Die Barrierefreiheit einer Webseite hängt nicht von der verwendeten Hardware ab. Für Online-Shops und Webseiten gilt das BFSG ab dem 29.06.2025. Dienstleistungen unter dem Einsatz von Produkten sind etwa Reparaturdienstleistungen. Diese dürfen auch nach dem Stichtag (bis 2030) die Dienstleistung mit Produkten erbringen, die ab dem 28.06.2025 barrierefrei sein müssten, wenn sie diese Dienstleistung auch schon vorher rechtmäßig mit diesen Produkten erbracht haben.

Barrierefreiheit auf Webseiten Anforderungen und Umsetzung

Das BFSG verweist auf „harmonisierte Normen“ (vgl. § 4 BFSG) und auf „technische Spezifikationen“ (im Sinne des Artikels 2 Nummer 4 d BFSGV, vgl. auch § 2 Nummer 20 BFSG).
 In Bezug auf digitale Barrierefreiheit lässt sich daher auf die EN 301 549 verweisen. Diese Europäische Norm verweist in Abschnitt 9 ("Web") auf die Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) in den Stufen A + AA. Derzeit verweist man noch auf die Version 2.1, künftig wird das auf die aktuelle Version 2.2 (mit 6 zusätzlichen Anforderungen) angepasst.
Das BFSG macht damit die Einhaltung der WCAG mit den Stufen A + AA zur Pflicht.

Die Guidelines des W3C für die Barrierefreiheit von Webseiten sind in vier Kategorien unterteilt (wahrnehmbar, bedienbar, verständlich & robust), innerhalb der Kategorien gibt es unterschiedliche Anforderungsgrade (A, AA, AAA), wobei AAA die höchsten Anforderungen stellt. Aktuell orientiert man sich bei den praktischen Anforderungen der Barrierefreiheit an Stufe A und AA.

Eine der zahlreichen Anforderungen sind:

  • Alternativtexte für Bilder
  • Untertitel für Videos
  • Logische Reihenfolge der Überschriften
  • Text-Zoom bis 200 % inkl. identischem Inhalt und Funktion
  • Farbkontraste zur Umgebung für Text und Grafiken
  • Inhalt mit Tastatur bedienbar
  • Überspringbare Abschnitte (vgl. Skip Links für Menüs)
  • Eindeutige Linktexte
  • Beschreibende Seitentitel und Überschriften
  • Klickbereich mindestens 24 x 24 Pixel oder 24 Pixel Abstand rundum
  • Semantisch korrektes HTML
  • Spezielle ausgezeichnete Elemente wie Formulare oder Tabellen
  • Um die Barrierefreiheit zu erreichen, muss jede einzelne Seite die Kriterien erfüllen.
  • Eine Vorlesefunktion wird nicht gefordert und ist Experten zufolge sogar kontraproduktiv (erfordert Lesen, nicht verständlich, Bedienung komplex).
  • Einfache Sprache, Gebärdensprache oder Abkürzungserklärungen sind Anforderungen der nicht geforderten Stufe AAA.
  • Eine öffentliche Erklärung zur Barrierefreiheit schreibt das BFSG konkret nicht vor, ergibt sich indirekt aus den Leitlinien der Bundesfachstelle Barrierefreiheit. Es muss aber keine eigene Unterseite sein.
  • Implementierbare externe Plugins zur Barrierefreiheit erfüllen nicht alle benötigten Funktionen und helfen den betroffenen Nutzern kaum.

Kontrastrechner für Farbkontraste

HEX: #000000
RGB: rgb(0, 0, 0)
HSL: hsl(0, 0%, 0%)
HEX: #ffffff
RGB: rgb(255, 255, 255)
HSL: hsl(0, 0%, 0%)
Kontrastverhältnis
AA AAA
Normaler Text 4,5:1 7:1
Großer Text (18pt oder 14pt fett) 3:1 4,5:1
Beispieltext (18pt)
Beispieltext (14pt fett)
Dies ist ein Beispieltext zur Vorschau des Kontrasts.
/files/dateien/bilder/blog/bfsg/kontrastrechner-gold.png
Beispielhafte Bewertung des Kontrasts zwischen Text und Hintergrund in Hinblick auf die WCAG-Kriterien

Checkliste: Barrierefreie Webseiten

Die Anforderungen der WCAG 2.2 in den Stufen A und AA sind umfangreich. Darunter fallen insbesondere:

Wahrnehmbarkeit

  • Abstände nicht mittels Grafiken oder leerer Absätze.
  • Wichtige Inhalte nicht via CSS oder JS.
  • Auszeichnung dekorativer Elemente oder unsichtbarer Elemente, um von assistierender Technik ignoriert werden zu können.
  • Audio, Video mit Untertitel, Deskription.
  • Korrekte Seitenregionen inklusive ARIA-Auszeichnungen.
  • Textgröße via Browser auf 200 % anpassbar, Inhalt und Funktion bleiben.
  • Farbkontrast bei Text mindestens 4,5 zu 1 (außer größerer oder fetter Text), zu benachbarten Farben mindestens 3 zu 1.
  • Größerer Text, Zeichenabstand, Wortabstand und Zeilenabstand erhalten Inhaltsumfang und Funktion.

Bedienbarkeit

  • Inhalte mit Tastatur bedienbar.
  • zeitliche Begrenzungen sind anpassbar, pausierbar oder stoppbar.
  • Animationen über 5 Sekunden sind anpassbar.
  • Abschnitte wie Kopfbereich, Seitenleiste oder Inhalt sind überspringbar.
  • Deskriptive Seitentitel
  • Eindeutige Linktexte aus Linktext oder unmittelbarem Umfeld.
  • Link-Titel bietet zusätzliche Informationen zum Linktext.
  • Mindestens zwei von Menü, Inhaltsübersicht, HTML-Sitemap und Suche.
  • Focus-Status sichtbar mit ausreichend Kontrast.
  • Drag-Alternative mit Klick
  • Klickbereiche mindestens 24 x 24 Pixel oder Abstand rundherum mindestens 24 Pixel.

Verständlichkeit

  • Maschinell erkennbare Sprachauszeichnung.
  • Links öffnen in neuem Fenster nur, wenn unbedingt notwendig (Hilfe-Link in Formular, Datums-Wähler) und sind dann so eindeutig gekennzeichnet.
  • Konsistente Elemente, Navigation über alle Seiten.
  • Formulare inkl. Felder semantisch ausgezeichnet, Fehlermeldung klar als Text, Pflichtfelder und Eingabeformat klar gekennzeichnet, keine redundanten Eingaben, bei rechtlich relevanten Eingaben sind diese reversibel, nochmal geprüft oder bestätigbar.

Robustheit

  • semnatisch korrektes HTML.
  • visuell logische Überschriften-Hierarchie.
  • Icon-Fonts als Bild-Element ausgezeichnet.
  • iframe mit beschreibendem Titel.
  • Tabellen mit caption und summary.
Beispielhafte Prüfliste zur Barrierefreiheit von Webseiten
Beispielhafte Prüfliste zur Barrierefreiheit von Webseiten

FAQ Häufige Fragen zum BFSG

Was bedeutet BFSG?

Die Abkürzung BFSG steht für Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Mit vollständigen Namen lautet das Gesetz „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze“.

Wegen der pratkisch kaum erreichbarem absoluten Barrierefreiheit hat man sich gegen den Namen Barrierefreiheitsgesetz entschieden.

Wann tritt das BFSG in Kraft?

Das BFSG tritt mit dem 28. Juni 2025 in Kraft.

Für wen gilt das BFSG?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz regelt die Anforderungen für die Barrierefreiheit von bestimmten digital angebotenen Produkten und Dienstleistungen.

Unter digitale Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr fallen alle Webseiten und Online-Shops, die mit Verbrauchern online Verträge abschließen oder Elemente haben, die auf einen künftigen Vertragsschluss konkret abzielen. Also typische Online-Shops oder Buchungsfunktionen, aber auch konkrete Anfrageformulare dürften reichen. Reine und klar gekennzeichnete B2B-Angebote sind nicht erfasst. Auch gibt es eine Befreiung in diesem Bereich für Kleinstunternehmen. Ansonsten könnte nur noch die unverhältnismäßige Belastung in begründeten Ausnahmefällen herangeführt werden.

Was ist das W3C?

Das W3C steht für World Wide Web Consortium, auf Deutsch Weltweites Web-Konsortium. Es ist eine internationale Organisation, die sich mit der Entwicklung von Webstandards befasst. Das W3C wurde 1994 gegründet und arbeitet daran, offene Standards für das World Wide Web zu definieren und zu fördern.

Zu den bekanntesten Standards, die vom W3C entwickelt wurden, gehören HTML (Hypertext Markup Language), CSS (Cascading Style Sheets) und das Protokoll HTTP (Hypertext Transfer Protocol). Diese Standards bilden die Grundlage für die Erstellung und Darstellung von Webseiten im Internet.

Das W3C spielt auch eine wichtige Rolle in der Implementierung von barrierefreien Webseiten und fördert die Entwicklung von Technologien, die sicherstellen, dass das Web für Menschen mit Behinderung zugänglich ist.

Was sind die WCAG?

Die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind Richtlinien für die Barrierefreiheit von Webinhalten. Sie wurden vom W3C entwickelt, um sicherzustellen, dass Websites und Webanwendungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Die WCAG legen Standards fest, die es Menschen mit verschiedenen Arten von Behinderungen ermöglichen, das Web effektiv zu nutzen.

Die WCAG sind in verschiedene Stufen unterteilt, die jeweils auf bestimmte Aspekte der Barrierefreiheit abzielen: A (grundlegend), AA (erweitert) und AAA (umfassend). Webseiten und Webanwendungen müssen die A und AA-Konformität erreichen, um die Anforderungen des BFSG zu erfüllen.

Gilt das BFSG auch für öffentliche Stellen des Bundes und der Länder?

Nein. Hierfür gibt es eigene Gesetze wie in Bayern beispielsweise seit 1. August 2023 die Bayerische Digitalverordnung (BayDiV), zuvor die Bayerische E-Government-Verordnung (BayEGovV). Diese Landesgesetze verweisen für die Anforderungen der Barrierefreiheit auf § 3 Abs. 1 bis 4 und § 4 der BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) 2.0, die auf der Grundlage von § 12d BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) erlassen wurde.
Die BITV 2.0 verweist auf die Anforderungen der EN 301 549 (3.2.1). Diese Europäische Norm verweist in Abschnitt 9 („Web“) auf die Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) in den Stufen A + AA. Derzeit verweist man noch auf die Version 2.1, künftig wird das auf die aktuelle Version 2.2 angepasst. Die BITV fordert darüber hinaus noch 38 weitere Prüfschritte wie Gebärdensprache auf Startseite (außer für Städte und Kommunen), barrierefreie PDF-Dokumente oder eine Erklärung zur Barrierefreiheit.

Prüfung & Strafen Was ist bei Verstoß gegen das BFSG?

Die Webseiten werden von den Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer überprüft – dabei werden auch Webseiten detailliert geprüft. Typische Elemente sind dabei:

  • Startseite, Leistungen, Kontakt und Nutzungshilfen, sowie mindestens eine relevante Seite für jede Art von angebotener Dienstleistung
  • Interaktion mit Formularen, Steuerungselementen, Dialogfeldern
  • Bestätigungen für Dateneingaben
  • Fehlermeldungen
  • Verhalten der Webseite mit unterschiedlicher Software, Hilfstechnologie und Voreinstellung

Werden auf einer Webseite Mängel hinsichtlich der Barrierefreiheitsanforderungen festgestellt, setzt die zuständige Marktüberwachungsbehörde eine Frist, um die Regelungen des BFSG umzusetzen. Nach Ablauf dieser Zeit, kann die Erbringung der Dienstleistung auch eingestellt und/ oder Geldstrafen verhängt werden, sofern keine Korrekturmaßnahmen erfolgt sind.

Die Anforderungen der Barrierefreiheit sind Marktverhaltensregeln und damit von Mitbewerbern und legitimierten Verbänden in Deutschland vermutlich (leider) abmahnbar.

Kriterien für eine unverhältnismäßige Belastung

Nach Anlage 4 BFSG werden folgende Kriterien zur Beurteilung der unverhältnismäßigen Belastung herangezogen:

  1. Das Verhältnis der Nettokosten, die mit der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen verbunden sind, zu den Gesamtkosten für die Herstellung bzw. Entwicklung der Webseite.
  2. Die geschätzten Kosten und Vorteile für die Betreiber im Verhältnis zu den geschätzten Nutzen für Menschen mit Behinderungen. Hier werden die Anzahl der Nutzungen und die Nutzungshäufigkeit der Dienstleistung berücksichtigt.
  3. Das Verhältnis der Nettokosten, die mit der Einhaltung der Anforderungen des BFSG verbunden sind, zum Nettoumsatz des Unternehmens.

Nach § 15 S. 1. des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes hat die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit u.a. die Aufgabe, Kleinstunternehmen zu beraten, um diesen die Anwendung des Gesetzes zu erleichtern. Diese Beratung wird auch für Kleinstunternehmen angeboten, die nicht vom Geltungsbereich des BFSG erfasst sind, aber trotzdem barrierefreie Dienstleistungen anbieten möchten.

Elemente zur Stärkung der Barrierefreiheit im Web
Elemente zur Stärkung der Barrierefreiheit im Web

Chancen des BFSG Kunden- und Unternehmenssicht

Verbrauchersicht:

  • Ausweitung des Angebots an barrierefreien Produkten und Dienstleistungen innerhalb der EU
  • Barrierefreiheit führt zur Vermeidung von nach dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) verbotenen Benachteiligungen
  • Barrierefreiheit hilft auch Kunden mit funktionalen Einschränkungen im Alter

Unternehmenssicht:

  • Reputation - die Barrierefreiheit kann die Zufriedenheit Kunden sowie Mitarbeitern steigern
  • Es können neue Mitarbeiter und Kunden gewonnen werden bzw. bestehende gehalten werden
  • Möglichkeit sich von Wettbewerbern abzuheben

Die Anforderungen der Stufe AA der WCAG-Richtlinien sind anspruchsvoll für komplexe Webseiten. Die unklare Formulierung bei Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr sowie die Haftungsübernahme für Inhalte Dritter wie Consent-Tools oder Buchungsstrecken wie Zahlungsanbieter dürften praktisch große Probleme und hohe Kostenrisiken mit sich bringen. Das halte ich für nicht zu Ende gedacht.

Robert Hartl

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